KONSILAS Gedankenwelt
von: Annelene Wagemann
In zehn Jahren wird die Generation der zur Zeit 12 bis 27-jährigen 10 % der Menschen in Unternehmen ausmachen. Was treibt diese jungen Menschen an? Wie ist ihr Blick ins Leben? Und warum sind sie so „schwierig“ in der Arbeitswelt?
Gerne werden unsere alten Helden Sokrates und Aristoteles zitiert, wie sie sich über die Jugend auslassen und für die Zukunft keine Hoffnung haben: „Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. …“, so Sokrates. Oder: „Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt“ sieht Aristoteles schwarz. Was nun?
Fragen lenken die Aufmerksamkeit. Deshalb ist es 80 % der Problemlösung, wenn wir die richtige Frage finden. Die Frage, wie wir die junge Generation passend machen für unsere Unternehmen ist die falsche Frage. Darin liegt keine Innovation. Wenn wir diese Frage jedoch von hinten aufzuräumen, macht sie uns den Blick frei in die Zukunft: Was an den Vorstellungen, Hoffnungen und Bedürfnissen der jungen Generation kann für unsere Unternehmen den Impuls zur wirklichen Innovation geben? Wie muss unser Unternehmen aufgestellt sein, damit die Generation Z ihren Platz darin findet und gleichzeitig eine Veränderung im Sinne der Zukunftsfähigkeit geschieht. Welche Veränderungen würden dem gesamten Unternehmen zugutekommen?
Es geht hier nicht darum, es einigen wenigen recht zu machen. Es geht darum, die Impulse der einigen wenigen zu nutzen, um zukunftsfähig zu werden. Was auch immer die Gründe dafür sind, diese oder jene Menschen einzustellen, neue Mitarbeiter*innen bringen Neues in das Unternehmen. Organismen – lebende Systeme – brauchen Irritationen von außen, um sich zu erneuern und sich auf Veränderungen einzustellen. Durch die Wahl neuer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können Unternehmen in maximaler Selbstbestimmung die Art der Irritation bewusst wählen. Dies geschieht im Unterschied zu Irritationen im Außen, auf die man meist nur reagieren kann.
Lassen Sie uns also auf die von hinten aufgezäumte Frage eine Antwort finden: Diese „Jungend von heute“ wird die Generation Z genannt. ‚Z‘, weil sie nach der Generation Y / den Millennials kommt - Buchstabensalat in der Sozialforschung. Eine Generation ist eine Alterskohorte, die gemeinsame prägende Erfahrungen hat. Für die Millennials war das unter anderem 9/11. Für die Generation Z ist das zum Beispiel das Aufwachsen mit der Digitalisierung. Wo die Millennials den Umgang mit dem World Wide Web noch lernen mussten, steht die Generation Z mittendrin. Sie konsumieren die digitalen Medien ca. 5 Stunden am Tag bei angeblich sinkender Aufmerksamkeitsspanne. Sie sind Angehörige einer raren Spezies. Die sinkende Geburtenrate, Globalisierung und die Allgegenwärtigkeit von Krisen sind prägend für diese jungen Menschen. Was macht die Generation Z aus? Welche Werte haben sie? Was ist ihnen wichtig? Und: Was macht die Passung in die Arbeitswelt so schwierig?
Will man die Generation Z besser verstehen, ist es sinnvoll, sich diejenigen anzuschauen, die den größten Einfluss auf diese Generation hatten und noch haben. Die heute Mitte 40 bis Mitte 50-jährigen bilden die Elterngeneration und sind damit die besten Kandidaten für unsere Suche nach denjenigen mit gefragtem Einfluss. Achtung! Jetzt ist Selbstkritik und Selbstreflexion angesagt. Wer den Mut findet, möge weiterlesen.
Die heute Mitte 40 bis Mitte 50-jährigen gehören der Generation X an – oder auch Generation Golf genannt. Auch ich kann mich als stolze „Golferin“ fühlen, denn wir haben die Wirtschaftskrise überstanden und auch die Scheidungen unserer Eltern. In unserer Generation stiegen die Scheidungsraten extrem an. Familie veränderte sich und die Patchworkfamilie wurde geboren. Welchen Einfluss hatten diese und andere gemeinsame Erfahrungen auf unser Erziehungsverhalten?
Aus der Kindheits- und Bindungsforschung wissen wir, dass Scheidungen und Verluste in der Familie für Kinder zu den sehr traumatischen Erfahrungen zählen. Und das gilt auch für diejenigen, die sagen, sie hätten diese Erlebnisse „gut verarbeitet“. Die starken biographischen Erschütterungen führen im Kindesalter zu einer großen Verunsicherung – was nachvollziehbar ist. Nachvollziehbar ist auch, dass wir dann für unsere eigenen Kinder etwas anderes wollen: Wir wünschen für sie Stabilität und Sicherheit. Und wenn wir nicht in der Lage sind, das allein durch Zusammenhalt in der Familie zu tun – denn die Scheidungsraten sind weiterhin bei knapp 40%- so schaffen wir eine Art Sicherheitszone um unsere Kinder: Wir wurden zu den die ersten „Helikopter-Eltern“.
Wir holten unsere Kinder von der Schule ab. Gaben ihnen Smartphones, damit wir sie jederzeit kontaktieren konnten oder sie uns „falls mal was passiert“. Es wurde sogar Software entwickelt, mit der besorgte Eltern ihre Kinder tracken können. Wir fragten sie, wohin wir in Urlaub fahren sollen und was es am nächsten Tag zu essen geben soll. Wir fragten sie, auf welche Schule sie wollten und wir unterstützten sie bei der Suche nach dem richtigen Schulranzen, weil circa 60 Modelle zur Auswahl standen. Unendlich viele Gelegenheiten, unendlich viele Wahlmöglichkeiten, unendlich viele Ziele zu setzen. Sicherheit geben und partizipieren lassen, waren die Grundsätze guter Elternschaft. Grenzen setzen fiel uns schwer. Daher die mannigfaltige Erziehungsliteratur zum Thema Grenzen und Schimpfen, wie eine schnelle Suche auf bücher.de ergab. Das alles führte so weit, dass Eltern angeben, sie hätten Angst vor ihren GEN Z-Kindern. Prof. Dr. Antje-Britta Mörstedt von der PFH Göttingen zitiert Zuschreibungen wie „Kuschel-Kohorte!“ „Verwöhnt oder verwirrt?!“ „Radikale Egoisten!“ „Materialistische Monster!“.
Um das Bild rund zu machen, müssen wir auch im gesellschaftlichen Außen nach Erklärungen suchen, die uns helfen, die GEN Z besser zu verstehen. Sie sind aufgewachsen mit digitalen Medien, zu denen wir als Eltern ihnen den Zugang schon früh verschafften. Spiele mit sofortiger Belohnung, Likes und Follower sind prägend für Kinder und Jugendliche mit Blick auf ihre Erwartungen an die Welt. Sofortige Bedürfnisbefriedigung wird zu einer alltäglichen Erfahrung in der virtuellen Welt. Kinder übertragen das auf die Welt an sich. Sie können zwischen virtueller und realer Welt nicht unterscheiden. Wir müssen uns also fragen, wie wir mit dieser erzeugten Spannung zwischen dem, was wir als Arbeitgeber von ihnen erwarten und dem, was wir als Eltern in sie hineingelegt haben, umgehen und was das alles für uns als Unternehmer bedeutet? Was kann also die Erkenntnis sein? Nun, die Erkenntnis kann darin liegen, dass wir die Verantwortung für die generationalen Unterschiede übernehmen sollten, weil wir in irgendeiner Form daran beteiligt waren und noch sind. Weiter könnten wir uns fragen, inwieweit das Bild, das wir von der Generation Z als Arbeitnehmer haben, von unserer Elternrolle beeinflusst ist. Sehen wir als Eltern diese junge Generation denn überhaupt objektiv genug?
Was sagen denn eigentlich diejenigen, die versuchen soviel Objektivität wie möglich in die Sicht auf die Welt zu bringen? Was sagen Forscher und Forscherinnen zu den Eigenschaften und Fähigkeiten der Gen Z?
Martin Scholz, Autor des Buches „Generation Z“ schreibt den heute 12 bis 26-jährigen folgende Eigenschaften zu: optimistisch, pragmatisch, flatterhaft, individualistisch, technikaffin, realistisch, krisenerprobt, global vernetzt, weltoffen, immer erreichbar.
Sie wollen laut Shell-Studie 2015 einen sicheren Arbeitsplatz (99%), Möglichkeiten Ideen einzubringen (97%), sinnvolle Tätigkeiten (95%), genügend Freizeit (90%), Nützliches für die Gesellschaft tun (88%), Anerkennung (87%), gute Aufstiegsmöglichkeiten (77%), ein hohes Einkommen (77%), viele Kontakte zu anderen Menschen (71%) und die Möglichkeit, sich um andere zu kümmern (68%).
Sie selbst sehen sich als leistungsorientiert und flexibel. Das hört sich doch gar nicht so schlecht an. Wo kann das Problem liegen, diese jungen Menschen mit so wunderbaren Fähigkeiten, Zielen und Wünschen problemlos in ein Unternehmen zu integrieren? Das Problem liegt darin, dass die Flatterhaftigkeit (entsprungen aus dem Gefühl, keiner der 1000 Möglichkeiten verpassen zu wollen) und der Individualismus, gepaart mit der ständigen Erreichbarkeit - die aber nicht für den Arbeitgeber gilt, weil genügend Freizeit auf der Wunschliste gleich an vierter Stelle kommt - konträr zu den Werten und Vorstellungen der Elterngeneration in Bezug auf Arbeit stehen. Eltern sein und Arbeitgeber sein, sind eben zwei unterschiedliche Paar Schuhe, wie Pantoffeln oder Sneaker und Anzugschuhe oder Pumps.
Die Antwort auf die von hinten aufgezäumte Frage kann nur gefunden werden, wenn wir uns frei machen von unseren eigenen Erwartungen und Vorstellungen in Bezug darauf, wie die Arbeitswelt auszusehen hat. Wir müssen offen werden, für die Botschaften, die diese neue Generation von Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen uns vermitteln. Wenn wir das geschafft haben, gewinnen wir einen frischen Blick auf die neue Generation von Arbeitskräften. Das erhöht die Chance, unser Unternehmen mit den nötigen neuen Impulsen zu versorgen, die es für Innovation und Veränderung braucht.
Wie reagieren Unternehmen in der Regel auf die Generation Z? Arbeitgeber antworteten auf die Frage, wie sie die Generation Z am Arbeitsplatz beschreiben würden, mit folgenden Zuschreibungen: Anspruchsvoll, unvorbereitet, wenig ehrgeizig, wenig engagiert, wenig eigenverantwortlich.
Wie schätzen sich denn die jungen Leute selber ein? Hart arbeitend, zielstrebig, motiviert, kreativ, versiert im Umgang mit Technologien, teamorientiert.
Da fällt auf, dass Fremd- und Selbstbild stark voneinander abweichen. Im gewöhnlichen Leben würden wir nun – wenn wir uns denn trauen – mit der Aufforderung aufwarten: „Wir müssen reden.“ Anstatt nun, wie vielleicht unbedacht oft geschehen, mit der Tür ins Haus zu fallen und unsere Erwartungen an die jungen Menschen heranzutragen, wäre es weit hilfreicher, wir würden sie fragen, was Ihnen wichtig ist bei der Arbeit: Was braucht Ihr, um die Arbeit bei uns gut zu machen? Was motiviert Euch Leistung zu bringen? Hier wären ein paar Antworten, die wir hören würden: „Die Sicherheit von meinem Arbeitsplatz, das soziale Miteinander und die Wertschätzung meiner Ideen haben einen sehr hohen Stellenwert für mich.“ (Steckl et al., 2019). Oder: „Mir ist wichtig, wie mit mir gesprochen wird. Und ich brauche Anreize.“ Unterschiedliche Studien zeigten, dass in erster Linie die Arbeitsplatzsicherheit von großer Bedeutung für die Generation Z ist (Shell, 2019; Hartmann, 2015; Steckl et al., 2019).
Was wären denn Anreize, die einen Angehörigen der Generation Z motivieren würden? Die Möglichkeit der Selbst Entwicklung mehr Geld und bedeutungsvolle Arbeit zu leisten Laut Shellstudie waren die wichtigsten Wünsche für die Arbeit die Sicherheit des Arbeitsplatzes (99%), Möglichkeiten Ideen einzubringen (97%), sinnvolle Tätigkeiten (95%) und genügend Freizeit (90%). Hier ist also Kreativität gefragt, zumal sich die Realität in Unternehmen am Faktischen, wie Fachkräftemangel, Notwendigkeit von Schichtdienst und finanzielle Limitierungen (gerade im sozialen Bereich) entlang gestaltet. Das scheinen Probleme zu sein, die kaum zu lösen sind. Meine Erfahrung ist, dass trotz großer Erfahrung, Belesenheit und Offenheit, man in seinen eigenen Denkmustern gefangen sein kann und die produzierten Lösungen oft die alten im neuen Kleid sind. Auch die Denkmuster von Unternehmern brauchen „Irritationen von außen“. Wenn wir unsere Kinder in viele alltägliche (und weniger alltägliche) Entscheidungen einbezogen haben, warum nicht auch die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Beratung und Lösungsfindung einbeziehen? Das wäre die logische Annahme. Kann Partizipation in der Beratung und Entwicklung von Lösungen in Unternehmen zu besseren Ergebnissen führen? Die Antwort auf diese Frage ist einfach: Auf jeden Fall kann und tut sie das. Die Frage nach den sinnvollen Innovationsimpulsen, die aus den Bedürfnissen und Wünschen der neuen Generation der Mitarbeitenden hervorgehen, lässt sich durch ihre Einbindung in die Beschreibung, Analyse und Lösungsfindung beantworten. So wie wir uns als Elterngeneration in die Selbstreflexion unseres Erziehungsverhaltens geben müssen, müssen Unternehmen in Selbstreflexion ihrer gesetzten Strukturen gehen. Diese Selbstreflexion wird in Unternehmen meist unterschätzt. Ihr wird wenig Bedeutung beigemessen. Jeder weiß, was nicht gut läuft, welche Entscheidungen eher eine Verschlimmbesserung ist und welche Strukturen dysfunktional sind. Dieses Wissen wird aber oft nicht offiziell geteilt, sondern wabert als „Klatsch und Tratsch“ durch die Flure. Wenn aber Veränderungen angestrebt sind, müssen sie von allen Beteiligten mitgetragen werden. Das passiert am ehesten, wenn dazu eine gemeinsame Sichtweise und Öffentlichkeit hergestellt wird. Die gemeinsame Sichtweise wird erarbeitet, indem man gemeinsam auf die Frage schaut. Ein an der neuen Aufgabe, Impulse aus der jüngsten Generation der Mitarbeitenden kommend aufzunehmen und zu filtern, ausgerichtetes Projekt mit einem zur Selbstreflexion und Selbstaufklärung führenden Projektmanagement wäre ein erster sinnvoller Schritt in die richtige Richtung der „von hinten aufgezäumten Frage“. Weiter ist ein an den Bedürfnissen und Wünschen ausgerichtetes Recruiting und Onboarding ein ergänzender Baustein für einen nachhaltigen Zufluss von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. An dieser Stelle könnte man gleich mit dem innovativen Projekt werben: „Bei uns können Sie sich sinnvoll einbringen und wichtiges zu einer zentralen Problemlösung beitragen.“ – Die Marketingabteilung könnte hier sicher noch Hand anlegen.
Durch ernstgemeinte Einbindung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Beratung und Lösungsfindung und durch ein ernstgemeintes Recruiting, dass abholt, einlädt, ‚Ja‘ sagt zum ganzen Menschen und in der Folge die Impulse neuer Mitarbeitender aufnimmt und integriert, kann der „schwierige“ Gen Z‘ler zur Quelle von Innovation für ein Unternehmen werden. Wenn diese Strategie zum Handlungsrepertoire einer Organisation gehört, ist sie quasi allen weiteren Generationen gewachsen. Bekanntlich werden sie ja nicht einfacher.